Posts tagged Gefühle

22. Geborgen hier und jetzt!

Eigentlich denken Ravel und Melina sich nur eine Geschichte aus von Luminarien, dem Land des Lichts und der Herzensliebe. Doch sie entdecken, dass es „Türen“ gibt, die die Welten miteinander verbinden und dass die Liebe, die sie in Lunarien erleben zunehmend ihre irdische Realität beeinflusst…

Erschöpft saß Melina mit ausgestreckten Beinen, eingekuschelt in ihre geliebte blaue Sternendecke auf ihrer Couch. Feierabend! Aber wo waren die Feierabend-Gefühle? Sie hatte einen langen, anstrengenden Arbeitstag hinter sich und wollte nun nichts anderes als ausruhen. Aber die ersehnte Entspannung trat nicht ein. Es gab Stimmen in ihrem Kopf, die es nicht dazu kommen ließen: Du könntest noch den Brief an Tante Klara schreiben…  ein Fragebogen für die Krankenversicherung müßte ausgefüllt werden…  das Geschirr steht in Bergen  in der Küche… Sabine wartet seit gestern auf deinen Rückruf… Der Berg der unerledigten Dinge wird immer größer…

Ich habe aber jetzt keine Kraft…antwortet eine andere Stimme.  ICH WILL NICHT! schreit jemand in ihr, ich will endlich Feierabend haben, nur tun, was ich möchte! Ach wenn doch jetzt jemand da wäre, der mir liebevoll, aber bestimmt sagen würde: „Jetzt nicht! Du hast für heute genug getan. Jetzt machen wir es uns gemütlich!“

Aber diesen Jemand gab es nicht. Bei diesen Gedanken wurde ihre Sehnsucht nach einem Menschen, der JETZT an ihrer Seite wäre, übermächtig. Eine Welle von Einsamkeitsgefühlen überrannte die junge Frau. Was sollte sie tun? In die Küche gehen und das Geschirr abwaschen? NEIN! ertönte der stumme Schrei ihres wunden Gemüts. FÜHLE mich. Sei bei mir!

Melina ließ ihre Tränen zu, spürte ihre Sehnsucht nach liebenden Armen, die sie JETZT halten würden… nach einer gütigen Stimme, die ihr glaubhaft versichern würde, dass sie all´ die anfallenden Dinge des täglichen Lebens leicht schaffen konnte, wenn sie sich wieder frischer fühlen würde. Ja, es ging sogar soweit, dass sie sich wünschte, jemand würde ihr regelrecht verbieten, jetzt ein weiteres Pflicht-Erfüllungsprogramm zu absolvieren. Wer konnte dies tun? Wer konnte dieser kraftvolle weise Jemand sein – eine gütige Autorität, der sie bedingungslos vertrauen konnte? 

Erschöpft schloss sie die Augen und sah… Ja, hörte sie sich denken, mit geschlossenen Augen sieht man klarer… 

Sie sah SemSobra, den Mann ohne Schatten aus ihrem inneren Land „Luminarien“ vor sich stehen. Lächelnd reichte er ihr die Hand. „Komm mit mir Melina, komm… “
Ohne zu wissen, wohin er sie führen würde, nahm sie seine Hand und ging mit ihm einfach durch die Wände ihrer Wohnung hindurch. Draußen angelangt, fand sie sich auf einem Weg wieder, der durch eine herrliche,  blühende Landschaft führte, die von der Abendsonne beschienen wurde.  Nach einiger Zeit entdeckten sie eine Bank auf einer Wiese.

Sie  setzten sich in stillem Einvernehmen, um in Ruhe den Sonnenuntergang zu genießen.

SemSobra legte den Arm um Melina und sie lehnte sich an seine Schulter. Ruhe durchströmte sie, und Frieden breitete sich aus in ihrem erschöpften Körper. Leise begann er zu summen… Erst waren es einfach nur Töne in keiner bestimmten Melodie, doch irgendwann erkannte sie bekannte Abendlieder und stimmte mit ein. Es war eine so wunderbar harmonische Stimmung, wie sie es sich schon seit langem ersehnt hatte.

Bei dem Lied  „Kein schöner Land in dieser Zeit, als hier das unsre weit und breit, wo wir uns finden wohl unter Linden zur Abendzeit“ standen die beiden wieder auf und setzten ihren Weg fort – weiterhin singend…

„Ja,“ dachte Melina, “ es gibt kein schöneres Land als dieses hier… so schön ist es sonst nirgendwo.“

„Du irrst dich, Melina,“ entgegnete ihr Begleiter lächelnd in ihre Gedanken hinein, du kannst es dir überall so gut gehen lassen wie hier. Denn ich bin überall bei dir. Ich bin dieser gütige, starke Jemand in dir, nach dem du dich vorhin so verzweifelt gesehnt hast. Ich bin die liebende väterliche Kraft in dir, die du als Kind entbehren musstest. Ich bin der liebende Partner, der dich immer versteht, der immer an deiner Seite ist, der dir immer gibt, was du brauchst – in einem Maße, das kein Mensch erfüllen könnte. ICH BIN deine SEELENKRAFT!“

„Aber ich kann dich manchmal gar nicht spüren – da fehlt mir einfach etwas Reales zum Anlehnen, jemand der mit mir singt und spricht, mit dem ich lachen kann und der auch da ist, wenn ich weinen muss…“
Mit diesen Worten kommen Melina die Tränen – all ihre Verlassenheitsgfühle, ihre Überforderung, ihre Sehnsucht…  ihr ganzer Seelenschmerz fließt aus ihr heraus und läßt ihren Körper erbeben. JETZT kann sie es zulassen, JETZT und HIER ist sie nicht allein, sie hat einen liebevollen kraftvollen Freund, der sie hält in ihrem Schmerz.  Wie wohltuend es doch ist, einfach zu weinen, sich nicht zusammen nehmen zu müssen, ganz sicher zu spüren, dass hier jemand ist, den das absolut nicht belastet…

Erinnerungen an ihre Kindheit werden wach… In den Jahren, indenen sie nicht bei ihrer geliebten Mutti leben konnte, hatte sie sich manchmal so verlassen gefühlt. Doch die Tränen der kleinen Lina waren für die Oma, die sie betreute, eine zu große Belastung. Sie lehrte das Mädchen, den Tränenfluß schnell zu stoppen, indem sie ihr Weinen in den Mülleimer werfen sollte. Und es funktionierte… es musste funktionieren – denn Melina wollte schließlich alles richtig machen, damit die Oma keine Herzschmerzen bekam…

„Ja,“ erklärte ihr SemSobra, „so weintest du die Tränen nach innen, und dein eigenes Herz füllte sich mit dem Schmerz, der in diesen Momenten  nicht hinaus durfte. Wie gut, dass es auch andere Zeiten in deinem Leben gab, wo du deine Gefühle, auch die schmerzlichen, zulassen konntest!“
Dankbar nickte Melina und erinnerte sich an ihre geliebte Mutti, die ihrem empfindsame Mädchen stets Verständnis und Trost schenkte – nicht zuletzt auch indem sie ihr Fantasie-Geschichten erzählte von liebenden Wesen, die immer bei ihr wären, um sie zu schützen. Damals als kleines Kind war ihr dadurch der Zugang zu Luminarien, dem Land des Lichts, bereits ermöglicht worden.

„Siehst du, und was dir damals gelang, das trägt dich auch heute,“ meinte SemSobra, als die Tränen langsam versiegten.
„Du findest mich genauso wie du die Engel damals in den Wolken gesehen hast.

Ich bin mit meiner Energie in der Couchlehne, die deinen Rücken stützt, in den Vögeln die für dich und mit dir singen, in deiner geliebten Sternendecke, in die du dich einkuschelst, in deinem Kissen, das deinen Kopf in weichen „Händen“ hält – und auch in der liebevollsten Stimme, die du dir nur vorstellen kannst. Ich bin immer da für dich… immer da… immer da…
Lehne dich an, kuschle dich ein – ich bin immer da… immer da…“

Mit einem tiefen Seufzer öffnete Melina langsam ihre Augen. Ganz bewusst spürte sie die Rückenlehne ihrer Couch, an die sie sich anlehnte –  „Immer da!“  Lächelnd kuschelt sie sich noch tiefer in ihre Sternendecke – „Immer da!“
Leise beginnt sie zu singen: „Guten Abend, gute Nacht, mit Rosen bedacht, mit Nelklein besteckt, schlüpf unter die Deck…“ -Und es ist, als würde  SemSobras Stimme leise mit einstimmen in die alt vertraute Weise.
So geborgen wie JETZT HIER in diesem Moment hat sie sich lange nicht mehr gefühlt.

Comments (7) »