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6. In Melinas irdischer Welt

6. In Melinas irdischer Welt

Neues wagen?

Riiiinnnngggg…..Riiiinnnggg…. – da klingelte Melinas Telefon. Es musste wohl schon eine ganze Weile geklingelt haben. Das Klingeln des Telefons holte sie zurück in die „Realität“. Sie saß vor ihrem Laptop und war so richtig im Flow des Schreibens, eingetaucht in ihre neue Geschichte.
Oder war es vielleicht sogar doch eine gewisse Art von Realität, was sie da erlebt hatte?
Nein, das war doch nur ihre Fantasie, die da mit ihr durchgegangen war – oder doch nicht?

„Ja, Melina, hier.“ „…..“ „Na so was, du bist in der Stadt?“ „…..“ „Ähm…..natürlich freue ich mich, dich so unverhofft zu hören….ähm….ja, ich habe Zeit…..würd´ dich sehr gern sehen. Irgendwie merkwürdig, dass du gerade jetzt anrufst, ich hatte vor kurzem an dich gedacht…. Nein, nein…..du störst mich überhaupt nicht…..ich….ich muss dir unbedingt etwas erzählen“.
„Okay, in einer Stunde in Merlins Bar, ich freu mich“.
Hastig legte sie auf und eilte ins Bad, irgendwie nicht ganz hier, aber auch nicht mehr ganz „dort“. „Was ist hier eigentlich los, ich bin ganz durcheinander“.

Sie blickte in den Spiegel, sah sich zum ersten Mal selbst tief in ihre Augen ud konnte dort ein geheimnisvolles Strahlen erkennen, ein Strahlen, wenn auch subtil, es war vorher nicht erkennbar, nicht wirklich sichtbar für sie. Nein, das ist wohl keine Fantasie oder Einbildung. Es umgab sie etwas sehr Geheimnisvolles, seit sie an ihrer Geschichte schrieb. Eigentlich wollte sie ja nur eine Geschichte schreiben, in der all ihre Sehnsüchte und Visionen Gestalt annehmen können. Sie erschuf sich im Geiste eine Welt voller Licht, Mitgefühl und bedingungsloser Liebe:
Luminarien –
eine Welt, in der es sich zu leben lohnt,
eine Welt mitten im Licht und aus Licht geschaffen,
wie einst als Kind, als sie sich ihr eigenes Schloss erschaffen hatte,
ganz frei nach ihrer Fantasie und Vorstellungskraft,
eine lebendige und farbenprächtige Fantasie,
etwas das sie immer noch beseelte, dessen sie immer noch fähig war.
Ihre Fantasie schien der Schlüssel zu einer Welt zu sein, die, wie sie inzwischen annahm, bereits existierte.
Wow! Welch gigantischer Gedanke!

Immer wenn sie vor dem alten Schrank mit der großen Spiegeltür stand, schienen die Welten zu verschwimmen und sie nahm Kontakt zu dieser wundervollen Welt auf, einer Welt,  in der es noch viel zu erleben gab,wie ihr bereits schwante.Zufrieden und mit einem sanften Lächeln auf den Lippen, legte sie etwas Makeup und einen Duft auf. Die blonden lockigen Haare hatte sie etwas verspielt hochgestekt, mit einer Locke ihr lieblich, hübsches Gesicht umfangend.

Wieder dachte sie an ihre Erlebnisse in Luminarien. Es schien ihr, als erhalte sie dort auf ganz liebevolle Weise und ihrem persönlichen Rythmus angepasst Antworten auf ihre immer währende Frage „Wer bin ich wirklich“?

Etwas gedankenverloren schaute sie auf die Uhr, es war erst eine Viertel Stunde vergangen. Es schien ihr als dehnte sich die Zeit aus, als ob sie schon seit geraumer Zeit im Bad war. Es blieb ihr noch genügend Zeit, sich etwas Schönes zum Anziehen aus ihrem Kleiderschrank zu suchen. In der Diele stand sie nun vor dem großen Spiegel, in dem sie sich komplett betrachten konnte. Sie fand heute gleich ein Kleid, in dem sie sich gefiel.

. Von allen Seiten sich betrachtend hob sie ihren Daumen mit einem kecken Augenzwinkern. Es war fast so, als sähe sie sich mit neuen und anderen Augen. Ihre ganz persönliche kraftvolle und doch zarte Ausstrahlung war ihr nie so deutlich wie jetzt in diesem Moment. Zum ersten Mal konnte sie über ihre scheinbaren Schönheitsfehler hinwegsehen. Es schien alles zu passsen, es schien als ob es immer schon genau so und nicht anders sein sollte.

Beim Gedanken jetzt gleich ihre liebste und beste Freundin zu treffen, die von all´ dem ja noch gar nichts ahnte, ließ sie freudig hin und her hüpfen. Wie sie einst immer als Kind hüpfte und sprang, wenn sie sich über irgendetwas freute. Plötzlich hörte sie sich sogar ein Lied summen. Sie schien zu einer Musik zu tanzen, eine Musik die nur für ihre Ohren hörbar war. Melina erfreute sich jetzt in diesem Moment einfach an diesem unglaublichen und kraftvollen Lebensgefühl. Dieses schöne wohlige und warme Gefühl das sie jetzt durchströmte und ihr Herz geradezu zum Leuchten brachte. Am liebsten würde sie jetzt die ganze Welt umarmen. Sie fühlte sich gerade eben so wie frisch verliebt, obschon sie ja schon seit zwei Jahren wieder solo war. Für einen winzigen Augenblick dachte sie an Martin, ihren letzten Freund, mit dem sie fast fünf Jahre zusammen war. Die Gedanken an Martin waren es, die  ihre überaus freudige Stimmung wieder trübte…

So unbeschwert und wohl wie in den letzten Minuten hatte sie sich mit ihm selten gefühlt. So oft war damals das Gefühl in ihr, als Frau nicht zu genügen… nicht schön, nicht charmant, nicht gewandt genug zu sein, um den Bedürfnissen Martins zu genügen.
Oder waren es eher ihre eigenen Ansprüche, denen sie nicht gewachsen war? Dieser Gedanke kam ihr heute zum ersten Mal. Doch nein, er war tatsächlich nicht zufrieden in ihrem Miteinander. Schließlich hatte er sich in eine andere Frau verliebt und sie hatten sich deshalb getrennt. Die Erinnerung an diese Zeit tat noch immer weh. Sie hatte sich damals gesagt: „Nie mehr lasse ich mich so tief ein auf einen anderen Mann! Dann kann es auch nicht mehr einen solch schmerzhaften Absturz geben. Es gibt soviel Schönes im Leben, was auch ohne Partnerschaft zu genießen ist! Und dafür muß ich mich nicht verrenken, um eine „tolle Frau“ zu sein.“

„Vielleicht mußt du dich ja gar nicht verrenken, um eine tolle Frau zu sein,“ flüsterte eine Stimme in ihr.
Unwillkürlich warf sie noch einen Blick in den magischen Spiegel und sah hinter sich den Mann ohne Schatten, der ihr sanft die Hände auf die verspannten Schultern legte…

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