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8. Wut – Verständnis und Annahme

8. Wut – Verständnis und Annahme

Träume ich, spinne ich – oder was ist hier los? Wer bist du? Wie heißt du? Wie kann ich als kleiner Junge und als erwachsener Mann gleichzeitig hier sein? Wie bin ich hierher gekommen? Ich kapiere das alles nicht! Was für ein Spiel wird hier mit mir gespielt?! Ich möchte eine Antwort, verstehst du? Jetzt! Sofort!“

Immer lauter wurde die Stimme Ravels. Seine Hilflosigkeit und Unfähigkeit zu verstehen, was hier geschah, brachte ihn in Wut. Mühsam beherrschte er sich, sein Gegenüber nicht bei den Schultern zu packen und die gewünschten Antworten aus ihm heraus zu schütteln.

Dieser stand ruhig da, nahm den hilflosen Ausbruch gelassen auf und nickte schließlich.
„Jeder, der bewusst dieses Reich betritt, ist anfangs erst einmal durcheinander und versteht das alles nicht. Und jeder reagiert auf seine ganz eigene Weise auf die Angst, die diese verwirrende Situation auslöst.“

Langsam ging er auf Ravel zu. „Ich sage es dir noch einmal: Du brauchst keine Angst zu haben, doch sie ist jetzt erst einmal da – und sie darf da sein! Bald wirst du dich nicht mehr fürchten, und bis es soweit ist, werden wir es beide akzeptieren, dass du noch Angst hast.“

Mit diesen Worten nahm er Ravels Arm und zog ihn mit sich auf die Wiese, auf der plötzlich eine Decke ausgebreitet war. „Komm, lass es uns bequem hier machen. Ich will dir deine Fragen gern beantworten, soweit es im Moment möglich ist.“

Plötzlich bemerkte Ravel, dass sein kindliches Ich, der kleine Junge, nicht mehr da war. „Wo ist der Kleine?“ fragte er beklommen.

Du vermutest richtig: Dein Ausbruch hat ihn verschreckt. Doch keine Sorge, wo er sich auch immer aufhalten mag hier in Luminarien, überall wird er liebevolle Fürsorge erleben.“

Ich wollte ihn doch nicht verängstigen oder gar vertreiben,“ flüsterte Ravel beschämt. „Ach wenn ich das doch nur ungeschehen machen könnte!“

Du brauchst dir keine Sorgen um ihn zu machen, du wirst ihn bald wiedersehen. Doch ich weiß, wie sehr du unter deiner Wut leidest, die dich manchmal zu Verhaltensweisen treibt, die du hinterher zutiefst bereust.“ Verständnisvoll und mitfühlend sah er dem beschämten Mann in die Augen – mit einem Blick ohne jeden Vorwurf, ohne jedwede Kritik.

Verblüfft bemerkte das Ravel – und dabei kamen ihm die Tränen. Er war gerade dabei, sich verteidigen zu wollen, als er merkte: Es gab gar keinen Angriff, nicht die geringste Spur! Im Gegenteil – Wärme und Verständnis brachte ihm dieser Mann entgegen, den er gerade angeschrien und beinahe auch hart angefasst hatte.

Auf diese Gelassenheit, diese Güte war er nicht vorbereitet – ein fassungsloser Ton kam aus ihm und mündete in ein hemmungsloses Schluchzen. Er weinte, wie er schon lange nicht mehr geweint hatte. Tiefer Schmerz brach aus ihm heraus und schüttelte ihn. Und dabei fand er Halt in den starken Armen seines Gegenübers. Der hielt ihn – in einer langen festen Umarmung – und ließ ihn spüren, wie sehr der Ausdruck seines Schmerzes willkommen war, dass es ihm nicht zu viel wurde, dass alles so sein durfte, wie es gerade war. Immer wieder hörte er: „Ich verstehe dich! Ja, ich verstehe dich – und ich liebe dich….
Ich kann die stummen Schreie, die verborgene Wut und deinen Schmerz sehen. Es wird Zeit, Ravel….es wird Zeit, dich deinen Schatten zu stellen. Ich werde bei dir sein, dich halten, einfach nur halten.
Ja, es ist sehr schmerzhaft für dich gewesen. Du glaubtest dein Leben lang, du müsstest einfach mit ihm leben und ihn vergessen. Doch ungeheilter Schmerz bleibt Schmerz. Solange bis du in ihn gehst und ihn heilst. Du bist hier her gekommen, um zu heilen – .deinen Schmerz, wie auch den Schmerz aller Menschen, deren Teil du bist, wie sie Teil deines Schmerzes sind. Schmerz ist nichts anderes als unterdrückte und überschattete Liebe. Mein Lieber, ich weiß, willst du doch nur lieben und geliebt werden wie eine jede Menschenseele.
Du wirst hier Stück für Stück lernen, in dich zu gehen und ihn zu erlösen.
Im Lichte der Göttin, der Einheit, aus der eine jede Menschenseele stammt, wird alles zu Licht, was dem Licht ausgesetzt wird. Nichts kann der Göttin, der Liebe ohne Gegenteil, widerstehen. Jetzt bist du bereit ins Licht zu gehen, um dich im Lichte des Mitgefühls und der grenzenlosen Liebe zu betrachten.
So schreckhaft und entsetzlich sie auch wirken und erscheinen mögen, diese Schatten, ich sage dir, liebe Menschenseele:

FÜRCHTE DICH NICHT!

Denn du bist geborgen in absoluter Liebe. Das will ich dich fühlen lassen – dazu bist du hier!“

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